"Oh, nicht noch einen Artikel über die Flexleine…"
Vielleicht ist dir das gerade durch den Kopf gegangen, aber ich möchte gerade zu Beginn sagen, ja, es ist ein weiterer Artikel darüber aber unter einem Aspekt, den ich so noch nicht gelesen habe, ihn aber spannend finde.
Ich habe die Flexleine oder auch Rollleine genannt, mal unter dem technischen Aspekt betrachtet.
Mein Hauptberuf hat einen technischen Hintergrund, wo ich mit verschiedenen Messmaschinen arbeite. Das brachte mich auf eine Idee… (keine Angst, es wird nicht zu physikalisch…😊 hoffe ich).
Ich habe immer noch eine Flexleine zu Demonstrationszwecken,
wie schädlich und gefährlich sie sein kann.
Ja, bei meinen ersten Hunden habe ich sie benutzt, weil ich es nicht
besser wusste.
Es ist noch eine, mit Kordel und sicher 10 Jahre alt.
Es ist die Flexi Gr. S für Hunde bis 12 kg mit einer Seil Leine von 5m.
Auf den Beschreibungen der Leinen steht ja nur drauf, für welche
"Hundegewichtsklasse" sie geeignet sind, aber nie wieviel Rollwiderstand vorhanden ist.
Da ich nur diese eine Leine habe und auch keine weitere kaufen möchte, weiss ich nicht, ob es für grössere, schwere Hunde auch noch mehr Rollwiderstand gibt oder es einen Unterschied zu den Flexleinen mit Gurt gibt.
Der Rollwiderstand durch die Feder im Handkasten verhindert ja, dass die Leine durchhängt, auf dem Boden schleift und sie immer wieder über diese Feder zurück in den "Handkasten" rollt, damit ich als Mensch nicht nachfassen muss.
Da meine Leine auch schon älter ist, kann ich mir vorstellen, dass die Federspannung auch schon etwas nachgelassen hat. Ich habe nun meine Flexleine genommen und diesen Rollwiderstand oder anders gesagt, die Auszugskraft, die man aufbringen muss zum Leine herausziehen, gemessen.
Wieviel Auszugskraft muss der Hund also aufwenden, damit er den Rollwiderstand der Leine überwindet, um nach vorne zu kommen?
Die aufgewendete Kraft beträgt 1,884 N (Newton). Diese Kraft kann man mit einer Formel umrechnen und man kommt auf 192 gr.
Hört sich ja erst mal nicht viel an, aber wenn man die Proportionen dazu betrachtet, sieht das schon anders aus. Nehmen wir mal einen Hund mit 10 kg Körpergewicht, dafür ist die Leine ja ausgelegt.
Sobald also der Hund mit seiner Kraft die Leine nach vorne auszieht, ziehen und zuppeln ständig
192 gr. an ihm herum. Und im ungünstigsten Fall noch über das Halsband am Hals, einfach so, wenn er läuft und OHNE die Stoppfunktion.
Um als Mensch ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Gewicht das ist, habe ich es mal proportio-nal ausgerechnet:
(Einfacherweise mit 200 gr. gerechnet und wie gesagt alte Leine und mit Toleranz):
Gewicht Zugkraft
Hund 10 kg 200 gr.
Mensch 50 kg 1 kg
Mensch 75 kg 1.5 kg
Mensch 100 kg 2 kg
Das heisst:
Wenn ein 75 kg schwerer Mensch an dieser Flexleine zieht, muss er 1.5 kg Rollwiderstand überwinden, um die Leine auszuziehen und um sich nach vorne ziehend bewegen zu können.
Oder anders ausgedrückt, du als 75 kg Mensch hast auf JEDEM Spaziergang ständig 1.5 kg am Hals über das Halsband angebunden, die an dir ziehen und zuppeln, sobald du die Leine nach vorne ausziehst… Glaube nicht, dass das angenehm ist…
Weiteres muss ich wohl nicht dazu schreiben, was es für die innenliegenden Strukturen im Hals eines Hundes bedeutet. Das kann man auch hier nachlesen:
Jetzt könnte man aber sagen, ja dann nehme ich die Flexleine am Geschirr, wäre ja auch möglich.
Doch was passiert dabei?
Hat der Mensch z.B. einen Rucksack an von 1.5 kg, ist das sicher angenehmer als am Hals.
Das Gewicht ist gut verteilt auf die Schultergurte, evtl. auch noch auf einen Hüftgurt.
Aber was passiert mit der Körperachse des Menschen?
Sie geht automatisch nach vorne, um das Gleichgewicht zu halten und vernünftig laufen zu können, macht ja auch Sinn. Übrigens auch, wenn das Gewicht am Hals getragen werden würde. Das nennt sich Oppositionsreflex.
Hat ein Hund nun dieses Gewicht bei jedem Spaziergang am Geschirr oder am Halsband, reagiert er genau gleich auf diesen Zug, dass sieht auf vier Beinen nur anders aus als bei Zweibeinern.
Sein Körper neigt und stemmt sich im Gesamtbild nach vorne gegen den Zug nach hinten und das ist für ihn sinnvoll, um das Gleichgewicht zu halten, aber um gesund an der Leine zu laufen doch eher kontraproduktiv, denn er wird auch vermehrt an der Leine ziehen, um dem Ganzen entgegen zu wirken.
Wenn er obendrein auch noch an einem schlechtsitzendem Geschirr, wo die natürliche Schulter Rotation unterbunden wird, wie z.B. bei einem Norweger Geschirr oder diese Geschirre mit den für Menschen lustigen Kletts an der Seite, geführt wird, sind falsche Belastungen der Muskeln und Gelenke, Verspannungen und schlussendlich Schmerzen die Folge.
Auch bei Schleppleinen muss auf das Gewicht geachtet werden, gerade wenn sie 10 m und länger sind. Gurtband, Biothane und Co. gibt es mittlerweile in vielen verschiedenen Strukturen und Grössen, je breiter, dicker und länger, desto schwerer die Leine. Die Karabinergrösse muss auch beachtet werden, jedes Gramm zu viel geht auf Muskeln, Gelenke und Strukturen im Hundekörper. Durch das richtige Leinenhandling kann ich aber die Belastung auf den Hund minimieren, das Gewicht trägt nicht der Hund allein.
Also weder am Halsband noch an einem Geschirr sollte eine Flexleine genutzt werden.
Die Nachteile sind ja schon in vielen Artikeln und Beiträgen geschrieben worden. Unfälle durch diese Leine oder Verbrennungen bei Hund und Mensch sind nicht selten. Leider sind auch schon Hunde durch das Herunterfallen des Handkastens so erschrocken, dass sie aus Panik vor dem hinterher scheppernden Ding auf eine Strasse gerannt sind und überfahren wurden.
Sie dient eigentlich nur einem Aspekt, der Bequemlichkeit des Menschen.
Gebt acht auf eure Fellis ♥
Verena